Hier geht’s zur Petition: https://chng.it/gZV2QgkrLS
Offener Brief an das Regierungspräsidium Freiburg & die Stadt Freiburg
Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer,
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Martin Horn,
die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Freiburg ist kein guter Ort zum Ankommen. Die LEAs in ihrer jetzigen Form sind Ausdruck einer Asylpolitik, die auf Isolation und Abschreckung gepolt ist. Die dadurch entstehenden Missstände haben sich durch die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine verschärft. In der LEA gibt es kaum Privatsphäre, keine Möglichkeit zur Selbstversorgung und der Kontakt in die Stadtgesellschaft ist extrem erschwert. Das Regierungspräsidium (RP) besitzt eine Generalvollmacht zur Ausgestaltung der LEA. Aus diesem Grund wenden wir uns zusammen mit den Bewohner*innen in diesem Brief mit folgenden Forderungen an Sie:
1. Abschließbare Zimmer in der LEA
2. Sofortige Einrichtung von Besuchszeiten
3. Sofortige Einrichtung von Kochmöglichkeiten
Wir fordern die Stadt Freiburg auf, die vertragliche Möglichkeit einer Intervention (jour fixe) zu nutzen und sich dahingehend einzusetzen, dass in der LEA Freiburg Grundrechte und internationale Abkommen eingehalten werden und unsere Forderungen umgesetzt werden.
Abschließbare Zimmer
Die Zimmer in der LEA sind für die Geflüchteten nicht abschließbar. Neben den täglichen anlasslosen Zimmerkontrollen, die mittlerweile vom VGH Mannheim für rechtswidrig erklärt wurden, sorgt dies dafür, dass keine wirkliche Privatsphäre entstehen kann – und das obwohl Geflüchtete eigentlich dringend einen Ort der Ruhe bräuchten. Seit Jahren gibt es Kritik an diesem Missstand und seit 2018 verspricht das RP eine Einführung eines Schließsystems. Das ist nicht weiter hinnehmbar. Wir fordern Sie auf, umgehend Schritte zur Inbetriebnahme eines Schließsystems einzuleiten – auch Geflüchtete haben das Recht auf Privatsphäre.
Besuchszeiten
In der LEA herrscht ein faktisches Besuchsverbot. Neben der Verhinderung von sozialem Umgang erschwert dies die Arbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen massiv. Dies begründet das RP mit der „Sicherheit“ der Bewohner*innen. Wie der VGH festgestellt hat, fallen Zimmer in LEAs unter das Grundrech auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) – somit steht den Bewohner*innen auch das Recht zu, Besuch zu empfangen. Wir fordern Sie auf, umgehend Besuchszeiten einzurichten – die Isolation der Geflüchteten muss ein Ende haben.
Kochmöglichkeiten
Die Bewohner*innen haben kein Verständnis dafür, dass sie in der LEA Freiburg keine Möglichkeit einer selbstbestimmten Essenszubereitung haben. Tatsächlich gibt es keine Legitimation und kein Gesetz, dass Menschen ein selbstständiges Kochen verbietet – auch nicht in der LEA Freiburg. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sieht zwar eine Sachleistungsversorgung vor, von einem Kochverbot ist nicht die Rede. Das Kochverbot ist wohl einem strukturellen Problem der Einrichtung selbst geschuldet. Das ist nicht haltbar. Die Bedeutung der Nahrungszubereitung und Nahrungsaufnahme wird selbst in Familienberichten der Bundesregierungen als eine „prägende Aktivität“ und als „gesundheitlich sehr relevant“ eingestuft. (Drucksache 12/7560, S. 251-252).
Das RP legitimiert das Kochverbot mit Brandschutz-Vorgaben. Dieses Argument läuft ins Leere, denn mit den Vorgaben des Brandschutzes können keine Eingriffe in elementare Grundrechte begründet werden. Zudem ist bekannt, dass sich auf einzelnen Etagen bereits Küchen befinden, bzw. schnell eingebaut werden könnten.
Nach geltenden Gesetzen sollen Einzelpersonen bis zu 18 Monaten und Familien mit Kindern bis zu 6 Monaten in der LEA Freiburg mit der Sachleistungsversorgung und damit dem Kochverbot leben. Das widerspricht einem Rechtsgutachten, das die Stadt Freiburg 2003 in Auftrag gegeben hat. Danach stellt eine Sachleistungsgewährung über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten eine unzulässige Diskriminierung im Sinne des Grundgesetzes dar (z.B. Gleichbehandlungsgrundsatz Art. 3 GG, persönliche Handlungsfreiheit Art. 2 GG). Auch laut UN-Sozialpakt hat das Recht auf Nahrung einen hohen Stellenwert. 2010 hat sich das Bundesverfassungsgericht darauf bezogen. Eine ausschließliche Ernährung
durch eine Cateringfirma widerspricht diesem Abkommen.
Wir fordern Sie daher auf, die selbstbestimmte Essenszubereitung in der LEA zu ermöglichen.
In Erwartung einer baldigen Antwort und mit freundlichen Grüßen